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veröffentlicht am 26.03.2014

Auch Rattenfänger sind der Mode unterworfen

„Rattenfänger einzukleiden ist gar nicht so einfach „, seufzt Michael Boyer, Hamelns hauptamtlicher Rattenfänger-Darsteller. Die Kostüme wechselten im Laufe der Jahrhunderte – sie unterlagen dem unsichtbaren Diktat der Mode der jeweiligen
 

Zeit. Heute ist das vielfarbige Kostüm per Patent geschützt. Schuster, Hutmacher, Schneider und Strumpfmacher richten sich danach, Schnabelschuhe, Federhut, Gewand und Strümpfe anzupassen.

Im Jahr 1884 mit Pumphose in Romantikstil angefangen, zwischen 1921-1934 mit „Flügeln“ dazu und Sonnensymbolik, 1934-1940 in Rot/Grün mit zwei Streifen, nach 1945-1970 vierfarbig mit vier Streifen und ab circa 1970 sehen wir den Rattenfänger bis heute als Geschmacksmuster europaweit geschützt. Um 1990 kam eine Änderung herein. Als Hameln für sein Aushänge­schild keinen roten Strumpfstoff bekommen konnte – wurde Schwupps eine Seite vom Pfeiferbein in Orange gehüllt, und so ist es geblieben. Michael Boyer: „Lila ist auch nicht Lila. Manche Jahre ist mehr Rot drin ein anderes mal Blau. Gelb gab es mal schattiert. Deshalb bemüht sich die Hameln Marketing und Tourismus GmbH immer eine Menge Stoff zu kaufen, damit es länger reicht und mehrere Kostüme daraus geschnitten werden können“.

Das aktuelle Kostüm-Design stammt vom Hamelner Schneidermeister Wolfgang Meyer, veredelt wurde es von Schneidermeister Heinrich Wichmann aus dem Auetal, der die letzten 15 Jahre des „Rattenfängers“ Kleider nähte. Die neue Näherin, Renate Weber, kaufte kürzlich die zu verwendenden Stoffe und Garne auf dem einmal jährlich stattfindenden „Holländischen Stoffmarkt“ in Hannover schon mal für 3 Kostüme vorrätig ein, denn die sind nicht überall zu bekommen.

Ein paar Tücken gibt es im Pfeifer-Kostüm: Die Vorderteile treffen sich genau mittig, ohne Leiste (Übertritt). Der plissierte Rock verbirgt drei Meter Stoff, fast so wie ein Schottenrock. Schneider Wiechmann ging in Ruhestand und hat seiner Nachfolgerin die Kiste mit den Stoffmustern mit allen Größen übergeben. Sein Ratschlag:  Futter vom Jackschößchen mehrfach waschen bevor es vernäht wird, sonst verzieht es sich und alles wirft Falten statt des gewünschten Plissee. Im Rock: Zwei versteckte Innentaschen  für Privates. In den kalten Tagen zieht der Rattenfänger die Wintervariante an, mit hübschem buntem Schal und langen warmen Unterhosen. Bei Regen nimmt er einen bunten Regenschirm mit. Brille auf der Nase ist natürlich ein „No go“.

Das absolute Meisterstück ist aber unauffällig – die Mütze! Über die Generationen verbessert ist sie jetzt passförmig und sitzt bombenfest. Und das muss so sein, weil sie ansonsten vom Kopf fallen würde bei jeder Drehung, weil die Federn bremsen! Die Federn gibt es in verschiedenen Längen und Schönheitsstufen. Meistens „Deckfedern“ vom „Königsfasan“ und davon stecken 3 Stück in der Kopfbedeckung. Die Federn seien schwierig zu bekommen und sind sehr teuer.

„Nur, da schaut wohl fast keine Frau hin, die linsen auf die Schnabelschuhe“, laut Boyer. Auch bei den auffälligen gelb gefärbten Schuhen ist nichts „von der Stange“ zu erhalten, sie müssen vom Schuhmachermeister gefertigt und angepasst werden. Die wurden einst vom Orthopädiebetrieb Teraske und heute von dem Hamelner Schuhmacher Janus angefertigt. Zusammen gerechnet kostet ein Rattenfänger-Kostüm vom Kopf bis Fuß circa 2000 Euro – dazu kommt das Instrument und damit ist dann der weltberühmte Hamelner Blickfang komplett.


Stimmenfang:
- Man wird aufmerksam
- Nicht zu übersehen
- Vor allem in der dunklen Jahreszeit, dann fällt er extrem auf
- Wenn er dann auch noch Musik macht
- Manchmal hört man ihn bevor er gesehen wird
- Wäre der nicht mehr da – würde doch was fehlen
- Ich bekomme Gänsehaut, wenn ich ihn sehe
- er belustigt – wie er spricht und sich verhält
- der ist unzertrennlich verankert mit Hameln

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