veröffentlicht am 29.03.2014
Echo gegen das Vergessen – Begleitheft zum Grimm’schen Schattenwald
Von der Unke, dem kleinen Löwenmäulchen, Nymphe und den Raben Rubin und Munin “Hast du mich vergessen? Ich bin dir nachgefolgt, sieben Jahre lang, bin bei Sonne und Mond und den vier Winden gewesen und habe nach dir gefragt und habe dir geholfen gegen den Lindwurm, willst du mich denn ganz vergessen?”
So eine Passage aus dem Märchen: Das singende springende Löweneckerchen, das die Grimms vor 200 Jahren festgehalten haben in ihrer Deutschen Märchensammlung. Das Theater Anu aus Berlin inszeniert dieses und sechs weitere eher unbekannte Märchen aus der Sammlung in Form einer poetischen Reise im nächtlichen Wald. Als Echo gegen das Vergessen urzeitlich überlieferter Märchen, brachte die Company dieses Jahr zudem ein Begleitheft mit den Märchen im „Schattenwald“ heraus – ganz im Sinn der Brüder Grimm:
„Es war Zeit, diese Märchen festzuhalten, da diejenigen, die sie bewahren sollen, immer seltener werden“, schreiben die Brüder Grimm im Vorwort ihrer Märchensammlung. Hört man den Grimm`schen Märchen zu, kann man die Stimmen einer uralten, fast vergessenen Welt vernehmen. Es ist eine Welt, in der die Bäume und Wälder heilig waren und der Bauer zum Dank einen Teil des Getreides auf dem Feld stehen ließ. Jacob Grimm schreibt in seiner Deutschen Mythologie: „Aus solchen Gebräuchen leuchtet die Milde des Altertums. Der Mensch will sich nicht alles zueignen, was ihm gewachsen ist, dankbar lässt er ein Teil für die Götter zurück… Die Habsucht nahm zu, als die Opfer aufhörten.“ (S. 149)
Die vorchristlichen, naturreligiösen Vorstellungen binden den Menschen in das große Geflecht der lebendigen Welt ein. Dass diese Verbundenheit existenzieller Natur ist, erzählt das Grimm`sche Märchen von der Unke. Ein Mädchen füttert eine Unke und diese bringt ihm eine Krone. Als die Mutter aber die Unke erschlgt, siecht auch das Kind dahin. Dieses Märchen, das oft auch als „Urmärchen“ bezeichnet wird, steht in einer Tradition mannigfaltiger Geschichten, die meist viel älter sind als die Grimm`schen Märchen selbst.
„Wald- und Feldkulte“ erzählt von einem Holzfäller, der trotz mehrmaliger Warnungen den Baum einer Nymphe fällt. Die Nymphe straft ihn mit unstillbarem Hunger. Der Holzfäller trägt in der Inszenierung Schattenwald den germanischen Namen „Walah“ mit der Bedeutung: Der in der Welt fremd Gewordene. In dem Begleitheft zum „Schattenwald“ sind auf 16 Seiten im DIN A4 Format auf eindrucksvolle Weise in schwarz-weiß die scharf umrissenen Bilder des nächtlichen Waldes, des phantastischen nächtlichen Spiels anhand von Scherenschnitten dargestellt. Die Texte der sieben eher selten dargestellten Märchen sind darin abgedruckt.
Erhältlich bei: Tourist Information Hameln, Deisterallee 1, 31785 Hameln, Tel.: 05151 9578-23, zum Preis von 5,- Euro.
Weiter werden die Hefte bei den Aufführungen zu erwerben sein.
Die Tournee des Berliner Theater „Anu“ hatte im vergangenen Jahr für großes Aufsehen gesorgt und großen Anklang gefunden. In unserer Region sind 2014 zwei Gastspiele geplant: Im Zeitraum vom 1. bis 3. Mai als Gast auf einem 1,5 Kilometer langem Wald-Parkur auf dem Gelände des Hamelner Golfclubs in Schwöbber und eine weitere Inszenierung im Ohrbergpark vom 18. bis 20. September. Tickets sind für 18 Euro erhältlich bei der Tourist Information Hameln, der Dewezet und bei allen anderen Vorverkaufsstellen.
Mehr unter:
www.schattenwald.de, www.grimm-jubiläum.com und www.theater-anu.de.
Zusatzinformationen
Die Inszenierung „Der Schattenwald“:
Eine halbe Stunde nach örtlicher Sonnenuntergangszeit beginnt für das Publikum die einstündige Wanderung in die Dunkelheit des Waldes. Was verbirgt sich dort? Eine Welt, die seit Jahrhunderten, seit Jahrtausenden in den Geschichten der Menschen überlebt hat? Eine uralte, vorgeschichtliche Zeit wie sie Jacob Grimm den Märchen zuschrieb? Die Besucher werden in kleinen Gruppen im Turnus von fünfzehn Minuten in den Wald geleitet. Zur Beleuchtung des Weges dienen einzig Laternen, die jeder Zuschauer an die Hand bekommt. Ganz unmittelbar taucht der Besucher in die Atmosphäre des Waldes ein, in die Dunkelheit, die Stille, bis er vor dem ersten Lichttor steht, das ihm Einlass gewährt in eine andere Welt. An sechs Stationen im Wald begegnet der Besucher Figuren, die direkt aus den Mythen und Sagen alten Volksglaubens entsprungen zu sein scheinen. Ein Krieger mahnt vor den Riesen und an einem Brunnen im Waldboden beschwört eine Frau Visionen über den Weltenlauf herauf. „Selten ist es uns gegeben in die Welt unserer Vorfahren blicken zu dürfen. Eines dieser wenigen Fenster in die Vergangenheit halten die Brüder Grimm uns mit ihrer Märchensammlung seit nunmehr zweihundert Jahren offen“, so die Regieleiter Stefan und Bille Behr. Das Theater Anu ermöglicht den Besuchern vom „Schattenwald“ in die Welt dieser alten Volkserzählungen einzutauchen.