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veröffentlicht am 03.01.2016

Jahreslosung 2016

Gott spricht: Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.   Jes 66,13 (L)
 
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Auslegung
Das Schluchzen eines Kindes kann sich schnell in Lachen verwandeln, wenn es die Mutter oder der Vater tröstend in die Arme nimmt. Es atmet auf, kommt zur Ruhe und springt wieder fröhlich vom Arm. Dieses Bild habe ich vor Augen, wenn Gott seinem Volk Israel verspricht:
Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.
Die Geschichte Gottes mit seinen Söhnen und Töchtern läuft alles andere als glatt. Sie gehen eigene Wege, verbünden sich mit Mächten, von denen sie mehr Hilfe erhoffen als von Gott. Aus ihrer Heimat in die Gefangenschaft weggeführt, fühlen sie sich von ihm verlassen und vergessen. Das hindert Gott nicht, an ihnen festzuhalten. In einem weiten Bogen entfalten die Prophetenworte in immer wieder neuen Bildern und Vergleichen Gottes Treue zu seinen Kindern. Sie gipfeln in der Zusage:
„Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet“ und in der Ankündigung des zukünftigen Heils für Jerusalem.
Das ist eine Dimension von Trost, die ein „Alles wird gut“ übertrifft. Gott sieht die zerbrochenen Herzen und Hoffnungen. Er nimmt Elend und Scheitern seiner Kinder ernst und macht sie zu seiner eigenen Sache. Wie eine Mutter erbarmt er sich ihrer. – Dieser Vergleich ist einmalig und beschreibt eine besonders innige Seite Gottes, die weit über liebevolle Worte und Gesten hinausgeht:
Trost ist ein umfassendes Geschehen. Zum einen befreiend: Getröstete bekommen wieder Luft zum Atmen. Zum anderen gibt Trost wieder Grund unter die Füße. Letztlich geht es um Fragen wie: Wer gibt mir Halt? Was trägt mich im Leben und im Sterben?
Wie kann ich getrost leben - gehalten und frei?
Getrost leben - mit festem Grund unter den Füßen und einem weiten Horizont?
Beides finde ich in der Grafik von Stefanie Bahlinger. Zwei Kreise überschneiden sich: einer ist nach links unten, der andere nach rechts oben gerichtet. Ihre Schnittmenge, als goldene Ellipse hervorgehoben, ist leuchtende Mitte des ganzen Bildes. Sie liegt wie eine Diagonale zwischen zwei schemenhaften Figuren. Beide zusammen vergegenwärtigen Seiten von Gottes umfassendem Trost.
Die eine beugt sich nach links unten und umarmt eine große dunkle Fläche. Gott selber ist der Tröstende. Er sieht die lebensbedrohliche Not.
Auch bei mir entdecke ich dunkle Ecken. Wenn ich meine, Gott kümmere sich nicht um mich. Jedenfalls nicht so, wie ich es für richtig halte. Wenn meine Ängste stärker sind als mein Vertrauen in Gottes Nähe. Wenn ich mir einbilde, alles im Griff zu haben und am besten zu wissen, wie die Dinge laufen sollen. Oder wenn ich mich meines Versagens und meiner Abgründe so schäme, dass ich mich am liebsten aus allen meinen Aufgaben zurückziehen möchte. All das wird umfangen von warmem, glühendem Rot. Es sieht aus wie ein „Backofen voller Liebe“, mit dem Martin Luther Gottes Zuwendung zu uns Menschen umschreibt.
Die zweite, fast spiegelbildlich nach oben rechts gerichtete, Figur zeigt die andere Seite von Gottes Trost. Sie hat mehr Leichtigkeit. Gottes Trost befreit und entlässt in die Weite. Er heilt und erneuert die zerstörte Gemeinschaft mit seinem Volk und eröffnet ihm neue Perspektiven.
Getröstete Menschen geraten in Bewegung. Innerlich und äußerlich. Die Flügel erinnern an den Heiligen Geist, oft als Taube dargestellt. Er ist der Tröster und wird als weibliche Seite Gottes gesehen.
Die sich überschneidenden Kreise bilden als Ganzes ein Kreuz mit weichen Rundungen, die an eine Schwangere erinnern und so auf seine Leben spendende Kraft verweisen. Das dunkle Loch des Todes wird überstrahlt vom Gold der Verheißung. Jesus hat am Kreuz alle dunklen Mächte der Welt und in meinem Leben besiegt. Auch den Tod. Seine Auferstehung lässt mich hoffen, was bei Jesaja schon anklingt: „Denn siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen …“ und in der Offenbarung fortgeführt wird: „ …und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein, denn das Erste ist vergangen.“
Sind das nur Trostpflaster, die schlimme Erfahrungen und Verletzungen beim Volk Israel damals und bei mir heute nur überdecken? Vertröstungen, die mich in meinem Alltag nicht erreichen?
Gott verspricht: Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.
Wenn ich ihn beim Wort nehme, werden sich mir neue Horizonte auftun. Für mein eigenes Leben und für Menschen, die sich nach Trost sehnen. Wie die goldenen Punkte und Striche, die die Künstlerin über ihre Grafik verteilt, kann sich Trost ausbreiten im Hier und Jetzt. Ob ich noch ganz bei Trost bin? - Bestimmt nicht immer! Die goldene Ellipse, Zeichen für den umfassenden Trost Gottes, ist wie ein Auge: Gott sieht mich, auch wenn ich ihn in meiner Not vergesse. Und wie eine Kompassnadel, die mich immer wieder neu auf ihn hin ausrichtet. Damit ich erkenne: mit ihm bin ich ganz bei Trost.
Motiv: Stefanie Bahlinger
Renate Karnstein

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