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veröffentlicht am 04.09.2020 / geändert am 04.09.2020

Im Glanz der Ewigkeit UPDATE

Sinnlich, nachhaltig und modern: 450 Millionen Jahre machen Schiefer zeitlos, innovative Ideen holen den schimmernden Naturstein aus der traditionellen Ecke. Als ökologische Alternative mit Stil ist Schiefer im Aufbruch, denn Nachhaltigkeit und Werthaltigkeit rücken bei Neubau und Sanierung wieder stärker in den Fokus.
 

Tradition und Trend: Geschwungene Bogenformate prägen seit Jahrhunderten klassische Dachlandschaften in Deutschland. Moderne Rechtecke sorgen heute für eine Wiederentdeckung von Schiefer als Designelement. Kreative Architektur schafft damit beispielsweise in historisch gewachsenen Strukturen den nahtlosen Übergang von Alt zu Neu.(Foto: ©Rathscheck Schiefer)


Nachhaltig mit Stil: Vom Klassiker zum Designerstück

Außen pur, zurückhaltend, elegant. Drei Natursteinsteelen begrenzen die Einsicht auf den etagenhohen Eingangsbereich. Scheinbar nahtlos geht die Fassade in Garagentor und Garteneingang über, symmetrisch setzen sich die Gebäudelinien vom Dachfirst bis zum Erdgeschoss fort. Puristisches Design war ihm wichtig, „gesund wohnen bei der Wahl der Baustoffe eine klar definierte Voraussetzung“, sagt Michael Eberhardt, der Bauherr des auf den ersten Blick eher schlichten Einfamilienhauses. Spricht es und zeigt auf die rechteckigen Schiefersteine auf dem Dach, die gerade ihre Farbe der wandernden Sonne anpassen und sanft im Gegenlicht glänzen. Die seitliche Sicht über den First offenbart erst die Besonderheit des Gebäudes: Es ist das erste Mainzer Langhaus, nur 6,50 Meter breit, dafür aber 21 Meter lang – ein Musterbeispiel für neues Wohlfühlwohnen in der Stadt.

Baugesund: Schiefer kehrt ins Bewusstsein vieler Bauherren zurück

Eberhardt nutzte nach dem Abriss eines Altbaus geschickt eine Lücke im alten Siedlungsbestand des Schlesischen Viertels und verwirklichte trotz schmalem Grund den Wunsch nach einer großzügigen Stadtvilla. Er interpretierte die Baupläne von langgestreckten alten Dorfhäusern aus dem Hunsrück neu und setzte dabei voll auf Nachhaltigkeit mit der Rückbesinnung auf natürliche Baustoffe, die lange Jahre ein Nischendasein am Rande der Vergessenheit führten: Neben großen Natursteinplatten aus Kalkjura für die Wohn- und Nutzbereiche und dicken Eichendielen für die Schlafzimmer kamen Putze aus Lehm und Kalk zum Einsatz, die in den Wohlfühlfarben der einzelnen Lebensbereiche getönt wurden. Denn Eberhardt ist nicht nur Architekt und Sachverständiger, sondern auch Geomant – „Geomantie ist eng verwandt mit der fernöstlichen Feng Shui-Lehre. Es ist die Kunst, Lebensräume nach den Bedürfnissen der menschlichen Seele im Einklang mit der Ortskraft zu gestalten.“

Von der Sohle bis zum First sollte der Neubau zwischen sanierten Objekten und Originalen aus den 30er Jahren eine Ruheoase für die Familie werden – optisch zurückhaltend, um sich in den Bestand einzupassen, und rundum baugesund, um dem Fachmann, der Medizinerin und den beiden Kindern ein komfortables wie wohnliches Zuhause zu bieten.

Für das Dach „kam nichts anderes in Frage“ als 450 Millionen Jahre alter Schiefer – ein Stein mit Geschichte in seiner modernsten Form: 60 mal 30 Zentimeter große Schiefersteine führen die klaren Linien der gesamten Architektur auf dem Dach fort. Eberhardt ließ sich begeistern von den vielfältigen neuen Gestaltungsmöglichkeiten, die der Naturstein heute bietet – und begründet es auch: „Unser Lebensraum ist ein Spiegel unserer Seele. Seine Gestaltung wirkt daher unmittelbar auf unseren seelischen Zustand zurück“.

Kein Stein wie der andere

Schiefer ist ein Stein aus und für die Ewigkeit – archaisch, rauh und durch das feine Relief der schimmernden Oberfläche sinnlich zugleich. Das unter enormen Druck bei der Erdfaltung entstandene Gestein besteht aus natürlichen, ökologisch völlig unproblematischen Mineralien (Sericit, Chlorit, Quarz und Calciumkarbonat) und ist älter als Kohle und die Dinosaurier. Kein Stein ist wie der andere, „aber jeder auf dem Dach, an der Wand oder auf dem Boden robuster und deutlich langlebiger als die meisten unter hohem Energieeinsatz aus mehreren Komponenten hergestellten Produkte“, freut sich Frank Rummel über die sich abzeichnende Trendwende in den Köpfen vieler Immobilienbesitzer. Hochtechnisierte Gewinnungs- und Bearbeitungsschritte, neue Formate und innovative Befestigungstechniken, die zu deutlich günstigeren Angeboten führen können, stimmen den Geschäftsleiter des deutschen Marktführers Rathscheck optimistisch die Nische im deutschen Bedachungsmarkt mittelfristig neu zu definieren.

In Deutschland werden derzeit rund 60 000 Tonnen Schiefer pro Jahr umgesetzt, davon kommt mit 2000 Tonnen nur noch der geringste Teil aus zwei kleineren deutschen Bergwerken. Bis Ende 2018 ließ Rathscheck selbst noch am Mayener Katzenberg Schiefer aus mehr als 400 Metern Tiefe durch ein weit verzweigtes Stollensystem und einen schmalen Förderschacht nach oben bringen – bis Erschließung und Abbau geeigneter Vorkommen stets aufwändiger und unrentabler wurden. Trotzdem nimmt nach wie vor mindestens jeder siebte weltweit verkaufte Schieferstein seinen Vermarktungsweg über die Eifelstadt Mayen, dem Stammsitz des Unternehmens. Mit Blick auf die Zukunft hatte sich die Nummer zwei auf dem Weltmarkt vor mehr als zehn Jahren eigene Alternativen in Spanien gesichert. Unter anderem betreibt Rathscheck im dünn besiedelten Nordwesten das größte Schiefer-Bergwerk der Welt: La Fraquina verfügt über Abbaukammern so lang wie zwei Fußballfelder und so hoch wie mehr als 20 Wohnetagen.

Hightech statt Handarbeit:  Wo das dunkle Gold heute herkommt

Im „Goldenen Tal“ (Valdeorras), rund 200 Kilometer von Santiago de Compostella entfernt, finden sich die umfangreichsten wie hochwertigsten Schieferressourcen der Welt. Mit einem Marktanteil von fast 90 Prozent ist Spanien der größte Schieferlieferant auf dem Globus – und gleichzeitig einer der jüngsten. Der rasante Aufstieg ist Pionieren wie Blanco Fernandez zu verdanken. Mitte der 60er Jahre streifte er noch mit seinem Esel durch die Region, um mühsam an der Erdoberfläche Schieferplatten für die Weiterbearbeitung im Heimatdorf zu sammeln. Erst fand er einzelne Steine, dann „dunkles Gold“ in großen Mengen: Die ausgedehnten Schieferstränge knapp unter der Oberfläche reichten breit und tief in die Erde. Heute gehört sein Unternehmen Cafersa (Canteras Fernandez) zur Rathscheck-Gruppe und ist zweitgrößter Produzent in der abgelegenen Bergregion, aus der sich jedes Jahr rund 500 000 Tonnen Schiefer auf die Reise machen. Starke Abnehmer sind neben Deutschland insbesondere Frankreich, Großbritannien und Benelux.

Ausgestattet mit weitreichenden eigenen Vorkommen und gepaart mit mehr als 220 Jahren deutscher Erfahrung rund um Schiefer baute Rathscheck in Galicien im vergangenen Jahrzehnt eine der modernsten Schieferproduktionen der Welt auf. Softwaregestützt erledigen heute Maschinen, „was früher einmal harte Knochenarbeit war“, blickt Dirk Ackermann, Geschäftsführer des Deutschen Schieferfachverbandes, zurück auf eine deutsche Schieferkultur, die bis zu den Römern reicht. Noch Ende des 19. Jahrhunderts verdienten mehr als 6000 Menschen in Deutschland ihr Brot mit der Schiefergewinnung und Verarbeitung. Als die Vorkommen im rheinischen Schiefergebirge, im angrenzenden Sauerland und in Thüringen entweder erschöpft oder immer schwieriger zu erreichen waren, ging in den meisten von ehemals mehreren hundert deutschen Schieferbergwerken nach und nach das Licht aus.

Hightech ersetzt heute die Handarbeit: Mit diamantbestückten Seilsägen werden in La Fraquina gewaltige Blöcke aus dem Sedimentgestein geschnitten und mit Hilfe modernster Technik bearbeitet. „So pur, wie der Stein aus der Erde kommt, geht er zum Kunden“, sagt Andreas Jäger, in der deutschen Geschäftsleitung für den Produktionsbetrieb verantwortlich. Die bereits beim Abbau sorgfältig auf Einschlüsse oder Störungen kontrollierten Blöcke durchlaufen nur einen Bearbeitungsprozess, bei dem sie gesägt, in der Regel auf drei bis fünf Millimeter gespalten und anschließend größtenteils vollautomatisch in die verschiedenen Formate gebracht werden. Für den deutschen Markt spielen die geschwungenen Klassiker im Bogenschnitt- und die Nachfolger des Altdeutschen Formats („Monumentum“) traditionell eine Rolle, „international machten schon immer die Rechtecke weite Teile der Produktion aus“, erklärt Jäger.

Günstiger decken mit System

In großer Menge sind heute Schiefersteinformate in Dimensionen verfügbar, die vor Jahrzehnten in Deutschland völlig untypisch waren. Rechteckige Steine leisten dabei den größten Beitrag „Schiefer vom hausbackenen Image befreit zu haben,“ sagt Frank Rummel. Er setzt auf Nachhaltigkeit bedachte Bauherren und Sanierer, die ökologisch wie ökonomisch und dabei auch praktisch denken: „Denn kaum etwas hält ein Haus so lange und so pflegearm dicht wie Schiefer.“ Der Anteil von modernen Rechtecken, die immer häufiger an Fassaden und als Boden- und Wandfliese eingesetzt werden, „wächst dabei kontinuierlich. Schiefer ist inzwischen auch im Norden wie im Süden Deutschlands als Design-Stein für Außen und Innen angekommen.“

Neue Techniken vereinen Ökologie und Ökonomie

Ein neues und einfaches Befestigungssystem hat dazu beigetragen, „den Stein aus der teuren Ecke zu holen.“ Jahrhundertelang musste jeder kleinformatige Schieferstein traditionell einzeln vernagelt werden. Bei der neuen Systemdeckung (Rummel: „Eine kleine Revolution in der Geschichte des Schieferdaches“) werden die rechteckigen Schiefersteine in einem Metallgerüst aus Tragprofilen und Verbindern mit einer Klammer fixiert, was zu erheblichen Einsparungen bei Material- und Arbeitskosten führt. „Schiefer“, freut sich Rummel, „kann damit heute jeder gute Handwerker, Nachhaltigkeit jeder preisbewusste Bauherr.“

Infos: www.schiefer.de

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